Wieder einmal sitze ich im Flieger nach Shanghai. Eingecheckt in die Businessclass. Rechts neben mir sehe ich das Vorfeld mit reihenweise A380 und B777 von Emirates und links von mir ein kühles Getränk, mein Reiselaptop und das Buch „Good bye Lehmann“ von Stefan Fay. Das klingt ganz klar wieder nach Arbeit in China und um genau zu sein ist mein Ziel Hai'an.
Doch bevor ich mich Stefan´s Buch gewidmet habe gingen mir wieder diverse Unterhaltungen und Fragen durch den Kopf. Eine der meisten Fragen war: „Wie ist den das Wetter in Shanghai? Sicherlich wärmer als hier, oder?“.
Wie es sich für eine kurze Reiseplanung gehört habe ich mich natürlich vorher informiert und siehe da in Shanghai ist es kalt, aber wie kalt es ist sollte ich noch erfahren.
Ich reiste nun also wieder beruflich nach Shanghai und verschlang mal ganz kurz fast das ganze Buch von Stefan auf dem Flug von Dubai nach Shanghai. Gefesselt von den Zeilen über seine Motorradreise von Deutschland nach Australien bemerkte ich gar nicht wie schnell die Zeit verging und so landete der Flieger pünktlich um 21 Uhr Ortszeit am Pudong Airport. Kurz alle Formalien klären, ab zum Gepäckband und draußen auf den Fahrer warten. Nach einer guten halben Stunde kam er dann endlich in den Abholbereich geschlendert und wir starteten die dreistündige Weiterreise mit dem Auto nach Hai'an. Während der fahrt habe ich gehofft schon ein wenig schlafen zu können, aber der Fahrer kannte nur AN oder AUS. Entweder gab er Vollgas oder er bremste weil er zu schnell wurde. Ich habe eigentlich einen guten Magen, aber ich hätte dem Fahrer am liebsten eine rein gehauen und wäre selber weiter gefahren. Kurz vor zwei Uhr in der Nacht bin ich dann im Hotel angekommen.
„Gold Nugget Hotel“ der Name war Programm alles egal ob innen oder außen an dem vierzig stöckigen Gebäude leuchtete oder funkelte in allen Farben. Das Zimmer im 21. Stock konnte sich sehen lassen. Ein riesiges Doppelbett in dem ich mir aussuchen konnte ob ich längst oder quer liegen möchte, eine angenehme Sofaecke, ein großer Flachbildschirm, ein Schreibtisch, ein komfortables Bad mit Badewanne und ebenerdiger Dusche und natürlich alles vollautomatisch. Von jeder Ecke des Zimmers kann man irgendwie das Licht einstellen oder auch die Gardinen steuern. Nicht zu vergessen die vollautomatische Toilette. Einfach witzig die Chinesen.
Ab dem nächsten morgen waren die Tage geprägt mit der Arbeit auf der Baustelle. Im großen und ganzen ist die Arbeit an einer Neuanlage für mich nicht wirklich besonders spannend.
Das Ziel: Die Maschine muss am Ende laufen. Also Überblick verschaffen, Material kontrollieren, Arbeit verteilen, Kabelwege ausbauen, diverse Geräte montieren, Kabel ziehen, Kabel anklemmen und Inbetriebnahme. Ein typischer Ablauf. Normalerweise.
Leider lagen nun die Temperaturen in der Nacht im Minusbereich und Tagsüber gerade eben über 0 °C. Selbstverständlich nicht nur draußen sondern auch in der Halle, welche über keinerlei Heizung außer zweier Miniheizgebläse für unser Büro verfügte. Ich war froh mir noch dicke Arbeitskleidung organisiert zu haben, da man nun Mal die Maschine nicht im Büro aufbaut. Genau wie die Halle verfügten aber auch in Hai'an diverse Restaurants über keine vernünftige Heizung und so war es üblich auch in dicker Jacke mal Abend zu essen oder im Hotel zu Frühstücken.
Passend zu dem Wetter rieselte auch drei Tage lang Schnee vom Himmel, wodurch sich die Straßen zu einer Eispiste verwandelten und die Straßenfeger anfingen die Straßen per Hand mit Salz zu streuen und Bäume von Schnee zu befreien. Ja ihr habt richtig gehört. Mit langen Bambusstöcken wurde der Schnee von den Bäumen geschlagen. Klingt komisch, ist aber so!
Kulinarisch habe ich auch wieder den Weg zu einem Muslimen gefunden um Lamian (von Hand gezogene Nudeln) in einer Rinderbrühe zu essen. Nicht nur lecker sondern auch schön warm. Ich liebe diese Nudeln seit meiner Montage in Kunshan und kann jedem nur raten in China diese Nudeln zu probieren. Natürlich durfte auch der typische chinesische Frühstückscrêpe „Jianbing“ nicht fehlen und sogar der Kunde versorgte uns sehr herzlich mit Keksen und Obst für zwischendurch. Doch leider entsprach die Hallentemperatur nie mehr über 2 Grad am Vormittag und so mussten wir die Arbeit nach 8,5 Arbeitstagen einstellen, da die Kabel zu starr zum verlegen sind.
Da Mein Flug nun am Samstagmorgen um 6 Uhr ging fuhr ich am
Freitagmittag mit dem Firmeninhaber nach Shanghai. Da saß ich also
in meiner Arbeitskleidung in einer Mercedes S-Klasse als Langversion
mit Vollausstattung und hellem Leder hinter dem Firmeninhaber. Ein
krasser Kontrast, aber kann man mal machen. Sein Fahrer brachte mich
in ein Hotel in der nähe des Flughafens und da es noch nicht zu spät
war ergriff ich die Chance und fuhr mit dem Taxi und der U-Bahn zu
Ada und Mac in ihren Shop auf dem Fakemarket. Alles fühlte sich an
wie früher. Die Taxi- und U-Bahnfahrt waren als wenn ich durch
Hamburg fahren würde mit der Ausnahme, dass der/die ein oder andere
mal wieder ein Foto von einem Europäer brauchten.
Bei Ada und Mac wurde ich auch gleich wieder super freundlich
empfangen. Wir haben uns lange über China, Europa, das Reisen und
ihren Laden unterhalten. Während wir in ihrem Laden auf winzigen
Klapphockern saßen kam noch ein norwegischer Pilot rein, welcher
noch schnell einen Lippenstift brauchte. Ja einen Lippenstift. So sah
er vielleicht von außen aus, aber tatsächlich handelte es sich um
eine Akkupack für Handys. Ein Mitbringsel für seine Frau.
Auch ich ließ mir noch die Bestseller zeigen: Eine Mini-Nintendo,
eine Fake-Nintendo, die neusten Minilautsprecher, welche auch als
Fernbedienung für die Smartphonekamera genutzt werden können. Es
gibt schon interessante Sachen und da ihre Stammkundschaft aus
Piloten und Flugbegleitern besteht sind sie immer dabei ihr Sortiment
mit neuen Reisegadgets zu erweitern. Nicht umsonst heißt ihr Laden
„Dr. Gadget“ und auch ich habe wieder eine kleine Tüte voll
Elektronikartikel mitgenommen.
Nach meinem zweistündigen Besuch habe ich mich langsam wieder auf
den Weg in das Airport-Hotel gemacht und was bietet sich da mehr an
als mit der U-Bahn zu fahren? Richtig ich habe die Maglev genommen
und bin mit dem Transrapid und einer Geschwindigkeit von 300 km/h zum
Pudong Airport gefahren. Das ganze ist zwar ein wenig teurer (ca.
7€), aber schon mal ein kleines Erlebnis wenn sich zwei
Magnetschwebebahnen mit 600 km/h annähern und es nur ein kurzes
Ruckeln beim vorbeifahren gibt ohne den anderen Zug richtig gesehen
zu haben.
Jetzt sitze ich im Flieger nach Hamburg und fast niemand weiß, dass ich nach Hause komme. Soll ja auch eine kleine Überraschung sein, da heute und die nächsten Tage ein paar Geburtstage von Freunden und Familie anliegen, welche nicht mit meiner Anwesenheit rechnen konnten. Ich freue mich jetzt schon auf Linda´s Gesicht wenn ich vor der Tür stehe. Ich bin zwar nicht der Stripper aber ein Überraschungsgast der aus dem chinesischem Winter „geflohen“ ist.
Zurück ging es nach Shanghai und mein erstes Ziel war nicht Hai`an, sondern es standen noch ein Kunde direkt in Shanghai und einer weiter nördlich in Sihong auf dem Programm.
Doch erst einmal hatte ich noch den ganzen Sonntag Zeit um mich mit meinem Kumpel Dennis aus der Technikerschule in Shanghai zu treffen und ein wenig die Stadt unsicher zu machen. Shanghai Tower, Bootsfahrt, Parkbesichtigung, Koreanisches BBQ und, na klar das Feierabendbier durfte nicht fehlen. Schon beknackt wenn man sich mal vorstellt, dass man es kaum schafft sich in Deutschland zu treffen, aber wenn wir unterwegs sind dann halt mal in Shanghai. Wer weiß wen ich dort in Zukunft noch so treffe.
Auch die nächsten Abende nach der Arbeit wurden nicht langweilig. Ein Abend wurde Japanisch gegessen und am nächsten Abend habe ich mich mit Mac und Ada vom Fakemarket zum „HotPot“-Essen (Chinesisches Fondeu) getroffen. Ich wollte schon immer mal in so ein Restaurant doch zuvor hat man mich gewarnt, dass es bei falscher Bestellung für einen Europäer zu scharf wäre.
Mit Mac und Ada hatte ich natürlich die beiden richtigen im Gepäck und der „HotPot“ wurde in scharf und mild Kombination bestellt, dazu gab es dann verschiedene Sorten Fleisch, Gemüse und Soßen. Ich musste feststellen das selbst die scharfe Variation noch für mich essbar war. Ein gelungener Abend.
Von Shanghai ging es mit dem Schnellzug 3 Stunden weiter nach Sihong. Der nächste Kunde wartete.
Das Hotel wirkte von außen Prunkvoll und von innen wie ein Campingplatz. Das Foyer, der Frühstücksraum und die Zimmer waren kalt. Ein Abend ging die Heizung und die Dusche in den Zimmern und am anderen wieder nicht. Ich hätte genauso Zelten können und war froh nach 3 Nächten das Hotel verlassen zu dürfen.
Ich wusste nicht ob ich mich freuen sollte nach Hai`an zurück zu kommen, aber zu wissen, dass die Temperatur in Hai´an mittlerweile auch mal über 20°C betragen konnte habe ich dem ganzen positiv entgegen geschaut und brachte mein Projekt zum Ende.
Bevor ich nach Hause fliegen konnte verbrachte ich noch knapp eine Woche alleine auf der Baustelle und suchte jeden Tag nach neuen Ideen der Abendgestaltung. Ich fing an kleine Clips für ein „Langeweile Video“ zu drehen. Es entstanden jede Menge Szenen im Hotel ( ich will jetzt nicht eure Gedanken hören können) und dann ging es mal wieder ab in David´s Restaurant. Kurz vorher schaltete ich die Kamera aus und schaute kurz durch die Scheibe ob da jemand an unserem Tisch sitzt. Und wie sollte es anders kommen? Der Tisch war komplett besetzt und erst im Restaurant bemerkte ich, dass es sich endlich mal nicht um Chinesen handelte. Ich ging rein und lies es mir nicht nehmen die fünf neuen Gesichter an zu quatschen – Was hatte ich schon zu verlieren? Kurzer Schnack und zack holte ich mir noch einen Stuhl mit an den Tisch. Da saß ich nun mit Liebe (ja sie heißt so!), Dewald, Janet, Frik und Charles an einem Tisch. Sie kamen aus Südafrika und Amerika nach Hai´an um die Kids zu unterrichten. Wir erzählten uns gegenseitig unsere Geschichten vom Reisen, unserer Heimat, von unseren Jobs und unseren Erfahrungen aus den verschiedenen Ländern. Es war wirklich interessant die Erfahrungen und Eindrücke aus ihren Heimatländern zu hören, während wir für David die beste Werbung im „Schaufenster“ waren.
Der Abend verging wie im Flug und auch an zwei weiteren Abenden trafen wir uns. Sie zeigten mir noch die „New Yester Bar“ und ich ihnen den Ausblick aus unserer Hotelbar im 40. Stock.
Die letzten Tage vergingen wie im Flug und ich war ein wenig zwiegespalten. Eigentlich war ich froh nach Hause zu fliegen doch auf der anderen Seite wäre ich nun gerne noch ein paar Tage länger geblieben. All die Wochen hatte Hai´an nicht viel zu bieten und dann, wenn es fast vorbei ist lernt man so tolle und interessante Menschen kennen.
Ich fuhr zum Flughafen und freute mich schon am Samstagabend ein paar Freunde in der Heimat zu sehen. Doch der Weg war nicht leicht. Die Autobahnen nach Shanghai waren verstopft und ich kam auf den letzten Drücker am Flughafen an. Meine „Dealer“ Mac und Ada waren sogar so nett und haben ihren Laden früher geschlossen um mir mein Zeug vom Fakemarket inkl. der “Shanghai-Penis-Bundeswehrlacher-Postkarte für Jumbo“ zum Flughafen zu bringen. Kurz die Koffer neu gepackt, die Postkarte verschickt, ein Selfie mit meinen Freunden und auf ging es in den Flieger.
Im Großen und ganzen war die letzte Woche tausend Mal besser als erwartet.
Hätte ich mir nicht in Indien oder China (man weiß es nicht) einen Infekt eingesackt, welcher mich beim Feuerwehrdienst ein paar Tage später zu Boden zwang und für 4 Wochen außer Gefecht gesetzt hat, wäre mir diese Reise noch ein Stück schöner in Erinnerung geblieben.